Tromsø – Narvik: Kajak Winter

Tourenname: Tromsø – Narvik
Schwierigkeit: fortgeschritten
Tourenlänge: 175km
Ausrichtung: Süd-West
GPS: Route und Track als GPX

Jedes Jahr ziehen die Orcas vor der Küste Norwegens Richtung Süden. Sie folgen den Heringsschwärmen entlang des Golfstroms bis zu deren Laichgebieten auf der Höhe von Ålesund.
Die Nähe zum Festland bietet die einzigartige Möglichkeit die Wale in ihrem natürlichen Lebensraum zu sehen.
… und genau das wollen wir tun – jedoch nicht mit einem Whale – Watching – Boot, sondern mit dem eigenen Kajak…

happy me
ich ©Christian Hein

Auf den Spuren der Orcas

Die Wanderung der schwarz – weißen Riesen beginnt Anfang des Jahres im Norden Norwegens.
Dort ist es zu diesem Zeitpunkt winterlich kalt, wechselhaft und stürmisch. All das würden die meisten wohl nicht als ideales Paddelwetter bezeichnen, doch mein Entschluss stand fest: Ich will Orcas sehen! Außerdem zieht es mich nach unserer letzten Winter-Wanderung im Norden Schwedens vor einem Jahr wieder hinauf nach Skandinavien – dieser magischen Region voller Schnee, Stille und Polarlichtern.
Antonia sieht das anders. Auch das Argument, dass es in Norwegen im Winter aufgrund des Golfstroms deutlich wärmer ist (Durchschnittstemperatur -5 Grad) als in Schweden (-10 Grad) kann sie nicht überzeugen… Dafür erklärt sich mein Kletter-Kumpel Martin kurzerhand bereit mich zu begleiten.
Gemeinsam planen wir die Tour und testen unser Equipment (vor allem die Kajaks und Trockenanzüge). Am 9.Februar 2018 ist es dann so weit: Wir falten die Kajaks zusammen und fahren mit dem Zug nach Berlin. Von dort aus geht es mit dem Flieger nach Tromsø.
Tromsø ist die größte Stadt im Norden Norwegens und liegt 350km über dem Polarkreis. Von hier aus wollen wir durch die Inselgruppen entlang der Küste die 175km lange Strecke bis nach Narvik paddeln. Glücklicherweise ist es vom Flughafen nicht weit bis zum Meer. Wir bauen die Boote zusammen, verstauen unser Gepäck, gehen einkaufen … und sind startklar!

Storm and waves
Sturm und Wellen ©Christian Hein

Die ersten Tage

In der ersten Zeit zeigt sich Norwegen von seiner wilden Seite: Wir haben mit enormem Gegenwind zu kämpfen und kommen nur langsam voran. Hinzu kommen hohe Wellen (von bis zu 1,50m Höhe). Unsere Kajaks schlagen sich jedoch sehr gut: Sie liegen stabil und sicher. Ein paar Tage später überrascht uns ein heftiger Sturm – mitten auf dem Wasser! Starke Böen drücken uns aufs offene Meer hinaus. Eine ganze Stunde ohne Pause paddeln wir wie besessen, um die 300m zurück ans Land zu kommen. Wir sind heilfroh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben!
Nach und nach gewöhnen wir uns an das Paddeln und entwickeln Routine. Wir frühstücken, schmieren Schnitten für den Tag und stechen gegen 9 Uhr in See. Je nach Wetterlage und Stimmung paddeln wir zwischen 5 – 19km (ca. 4-6h), bevor wir uns einen Platz zum Zelten oder eine Unterkunft suchen. Nach langer Dämmerung wird es gegen 16.00 Uhr schließlich dunkel.

stars in the night
die Sterne in der Nacht ©Christian Hein

Die Nächte

Das Jedermannsrecht in Norwegen erlaubt das Wildzelten. Wir schlagen unser Zelt meist direkt an der Küste auf. Ein selbst stehendes Zelt ist dafür Pflicht, da der Boden steinig und vereist ist.
Die Menschen, denen wir begegnen sind sehr freundlich und bieten uns teilweise sogar kostenlose Schlafplätze an.
Nachts wird es während unserer Reise zunehmend kälter. Der Grund: Die dicke Wolkendecke der ersten Tage löst sich auf. Tagsüber paddeln wir jetzt in strahlendem Sonnenschein, während nachts die Nordlichter den Himmel füllen. Es ist ein Traum!

Sunrise in Tromso
Sonnenaufgang bei Tromsø ©Christian Hein

Einziger Nachteil: Die Temperaturen fallen … auf bis zu -18 Grad. Im Kajak ist das kein Problem, da es auf dem Wasser etwas wärmer ist als an Land und die Bewegung uns warm hält. Und auch im Schlafsack ist die Kälte kein Problem…
wäre da bloß nicht die Zeit zwischen Aussteigen und in den Schlafsack schlüpfen – und andersherum!
Zur Kälte kommt eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit. Morgens sind die Kajaks und das Zelt (Außen und Innen) mit einer dicken Schicht aus Raureif überzogen. Alles ist nass oder zumindest klamm – und meistens auch gefroren. Morgens mit rissigen Händen in steifgefrorene Neoprenhandschuhe zu schlüpfen, ist eine wahre Qual. Und dennoch … wir sind verdammt glücklich!
Und genau das antworten wir, wenn wir gefragt werden.

„Warum macht ihr das?“

Die Frage nach dem Warum

Schon vor unserer Abreise hatten uns Freunde und Familienmitglieder gefragt, warum wir diese Reise eigentlich machen – und dann auch noch im Winter! Zu groß erschien das Risiko und die Strapazen und zu gering die Wahrscheinlichkeit tatsächlich Wale zu sehen.

  • frozen kayak
  • Martins hands after a day in his gloves

Ähnlich reagierten die Menschen, denen wir unterwegs begegneten: Immer wieder wurden wir nach dem Warum gefragt. Die Sache mit den Orcas war für uns definitiv ein Ansporn – keine Frage. Doch das ist nicht alles.

„Manchmal ist der Weg halt wirklich das Ziel.“

Die Stille, das Meer, die Berge, die schroffe Küste und die Nordlichter … all diese Dinge sind an sich schon Antwort genug. Und das nicht trotz, sondern ‚gemeinsam mit‘ den Strapazen und Ängsten machen sie diese Reise erst aus.
Mit dieser Erkenntnis und einem wahnsinnigen Glücksgefühl erreichen wir nach 12 intensiven Tagen auf dem Meer schließlich unser Ziel.

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