Tourenname: Kleine Micheluzzi
Schwierigkeit: 5- UIAA
Absicherung: alpin
Routenlänge: 380 m
Ausrichtung: Süd
Zustiegszeit: 15 min
Abstiegszeit: 1 h
Felstyp: Dolomit
GPS: Ort als GPX
Das ist alles deine Schuld!, knurre ich wütend.
„Du hast es gleich geschafft!“ tönt es von oben. Anscheinend hat mein Kletterpartner Christian mich nicht gehört. Jaja, du hast gut reden! Denke ich, während ich leise jammernd und fluchend die Felswand vor mir abtaste. Bloß nicht runter gucken! Wir sind nun etwa 200 m über dem Boden… und mindestens doppelt so weit von meiner Komfortzone entfernt! Ich stehe mit zitternden Knien auf einer kleinen Felskante. Eigentlich weiß ich, dass nichts passieren kann: Christian ist etwa 10 m über mir und sichert mich. Trotzdem kriege ich Angst. Um nicht hysterisch zu werden, transformiere ich sie in Wut. Wut auf den Fels, die Route, den nächsten Zug und natürlich auf Christian (er ist der einzige Mensch an diesem gottverdammte Fels, da muss er nun herhalten)! Ohne ihn wäre ich jetzt gar nicht in dieser miesen Situation! Ich hatte meine Bedenken vor dieser Tour ja schon gestern angemeldet. „Ach quatsch! Das wird cool, du Angsthase!“ Hat er gesagt. Und nun? Nichts mit cool!

Na gut, die bisherigen Seillängen waren schon sehr schön und die Aussicht! Aber das zählt jetzt nicht mehr! Warte, bis ich dich in die Finger kriege! Ruft der Angst- oder vielmehr der Wuthase in mir!
Es hat schon einen Sinn, dass der Sichernde und der Kletternde so weit voneinander entfernt sind, denke ich, als ich mich endlich über die Schlüsselstelle hieve. Ansonsten wäre die häufigste Todesursache beim Klettern wohl eine ganz andere! Natürlich weiß mein adrenalingeflutetes Gehirn, dass das Unsinn ist. Nicht nur, weil man am Fels ohne Kletterpartner selbst verloren wäre, sondern besonders weil der Kletterpartner viel mehr ist als nur jemand, der am anderen Ende des Seils steht. Ein Kletterpartner ist ein Mensch, dem du bei vollem Bewusstsein dein Leben anvertraust…und der dir im Gegenzug sein eigenes in die Hände legt. Er bringt dich dazu deine Grenzen zu verschieben. Er pusht dich. Er lobt dich. Er quält dich. Vielleicht kennt er dich und deine Fähigkeiten manchmal besser als du selbst…
Als ich endlich bei Christian ankomme ist meine Wut längst verflogen. Ich klippe meine Standsicherung ein. Ein bisschen stolz bin ich schon, es gemeistert zu haben!
Ohne Christian wäre ich jetzt nicht in dieser Lage. Ja, ich bin ihm dankbar dafür…aber pssst! Das bleibt unter uns!
