Wir sind zu jeder Zeit von Dingen umgeben, sei es unser wohnliches Umfeld, von Geräuschen, von anderen Menschen oder anderen Dingen. Wir glauben, in der Lage zu sein, sämtliche Informationen verarbeiten zu können. In Wahrheit registriert unser Gehirn nur etwa 5 % des Momentes. Der Rest strömt unbearbeitet auf uns ein und kann zu negativen Stress oder Ängsten führen. Wie wäre es, wenn wir eine Möglichkeit schaffen, uns von neuen Reizen abzuschirmen und uns Zeit geben, mit der Verarbeitung hinterherzukommen oder Momente intensiver wahrzunehmen?
Was ist Achtsamkeit?
Der Begriff ist derzeit in aller Munde. Aber was steckt dahinter?
Die Achtsamkeit stammt aus dem Buddhismus und weißt die Haltung auf, dem jetzigen Moment die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Ebenso beschreibt sie eine offene und wertfreie Weise, mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen umzugehen. Das lässt sich noch erweitern, indem nicht nur ein Moment, sondern auch die Umwelt, der eigene Körper und Stimmungszustand bewusst erlebt wird. Das heißt, Achtsamkeit ist eine spezielle Form der Aufmerksamkeit. Eine Situation wird im Hier und Jetzt erlebt mit einem wachen Körper und Geist. Die intensive Wahrnehmung der Gegenwart ist eine Charakteristik. Die zweite ist die Wertfreiheit. Andauernd bewerten wir Dinge positiv oder negativ. Die Herausforderung hier ist es, die eigenen Wertungen auszuschalten und sich nicht davon leiten zu lassen.
Achtsamkeit zur Symptombehandlung
Der wohl offensichtlichste Nutzen ist, dass es uns durch Achtsamkeit gelingen kann, einen Fokus zu setzen. Aus tausenden Informationsströmen wählen wir bewusst einen aus, auf den wir uns jetzt konzentrieren möchten. Durch die Reduktion von Input muss unser Gehirn weniger verarbeiten, fühlt sich nicht überfordert und im Endeffekt sind wir durch weniger Reize weniger gestresst. Das Prinzip der Stressreduktion durch Achtsamkeit erkannte schon in den 70er Jahren der Medizinprofessor Dr. Jon Kabat-Zinn. Er entwickelte das achtwöchige Programm Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR). Dem werden positive Auswirkungen auf den menschlichen Gesundheitszustand zugeschrieben, was wiederum zu einer gesunden Lebensführung beiträgt. Einen weiteren Effekt gibt es auf die Emotionsregulation. Durch das bewusste Wahrnehmen gelangen die Gefühle an die Oberfläche. Da sie allerdings keiner Wertung unterliegen, werden sie einfach zugelassen und akzeptiert. Das hilft, negative Emotionen weniger unangenehm aufzufassen und schafft sogar Raum, ihnen eine neue Perspektive zu geben. Vor einem wichtigen Meeting sind wir zum Beispiel angespannt. Von den meisten erhält das direkt eine negative Färbung. Wir können das Gefühl aber auch akzeptierend hinnehmen und es so umdenken, dass wir eine gewisse Anspannung benötigen, um gleich unser Bestes abzuliefern. Eine Situation, zwei gegenteilige Interpretationen. Du entscheidest, wie du einen Moment sehen möchtest.
Ein weiterer Punkt soll hier noch angefügt sein. Das Bewusstsein können wir nicht nur auf äußere Dinge lenken, sondern wir können uns selbst fokussieren. Setzen wir uns mit uns selbst auseinander, geben wir uns die Möglichkeit, uns besser kennen zu lernen und entdecken unsere Fähigkeiten. Wir wissen somit viel besser, welche persönlichen Ressourcen wir haben und uns zur Verfügung stehen.
Achtsamkeit zur Problemlösung
Neben der Reduktion von Stress, kann Achtsamkeit helfen, eigene Probleme zu lösen. Wenden wir unsere volle Aufmerksamkeit uns selbst zu, legt das für uns eine andere Dimension der Selbstwahrnehmung offen. Wir erkennen Emotionen intensiver, machen uns Gedanken klarer und sind uns bewusst, dass Erfahrungen bei allem, was wir tun, eine große Rolle spielen. Jetzt nehmen wir den Aspekt der Wertfreiheit dazu. Er öffnet eine Tür, eine schwierige Situation neu zu definieren. Mit einer neutralen Haltung gelingt es uns, eine gewisse Distanz zur aktuellen Situation zu schaffen. Wenn wir das schaffen, können wir uns gedanklich aus dem Moment heben und das Ganze von Außen betrachten. Das verschafft uns eine qualitativ hochwertigere Analyse der Lage. Dazu kommt das Benefit, dass wir aus dieser Position viel mehr überblicken und uns mehr Lösungsstrategien offenbaren. Wir sind in der Situation nicht emotional gefangen und erlauben uns, einen rationaleren Blick einzustellen. So können wir vermeintlich negative Gefühle sinnvoll lenken und selbstbestimmter Handeln. Wir nutzen im Ergebnis unsere eigenen Fähigkeiten besser und tragen selbst zur Problemlösung bei.
All diese Punkte können zu einem besseren Lebensgefühl und unserer Gesundheit beitragen. Kennen wir uns selbst, werden wir mit verschiedenen, auch unbekannten, Situationen besser umgehen. Sie tragen ebenso dazu bei, dass wir mutiger sind, unsere Komfortzone zu verlassen und bereit, neue Dinge zuzulassen, weil wir unsere Fähigkeiten kennen.
Wie kann ich Achtsamkeit üben?
Du musst dich nicht zwingend bei einem Achtsamkeitskurs anmelden oder auf einer Online-Plattform registrieren. Es gibt viele kleine Übungen, die du sehr gut in deinen Alltag integrieren kannst. Zum Beispiel kannst du dir einige Minuten Zeit nehmen, um den Fokus auf deine Atmung zu richten. Das geht am besten in einer entspannten Sitzposition. Du kannst beobachten, wie du atmest. Sind es lange oder kurze Atemzüge, atmste du durch die Nase oder den Mund, fließt deine Atmung in den Bauch oder in die Brust und verändert sich etwas, wenn du dich darauf konzentrierst? Eine andere Übung ist, andere Menschen wertfrei zu beobachten. Was haben sie an, welche Farbe hat welches Kleidungsstück, wie viele verschiedene Materialien erkenne ich?
Fazit
Es gibt viele Varianten, mit denen wir unser Lebensgefühl und unsere Gesundheit positiver gestalten können und uns eine kurze Auszeit aus der Welt der übervielen Reize geben. Eine davon ist Achtsamkeit. Sie gibt die Möglichkeit, Stress zu reduzieren und die eigene Situation von außen aus einer neuen Perspektive zu sehen. Mit dieser Methode kann eine kurzzeitige Verlangsamung des Erlebten einsetzen. Das schafft uns Raum, uns selbst mehr zu akzeptieren, mit sich selbst geduldiger zu sein und unterstützt ein selbstbestimmtes Handeln.
“Die beste Weise, sich um die Zukunft zu kümmern, besteht darin, sich sorgsam der Gegenwart zuzuwenden.”
Thich Nhat Hanh
Hier erhältst du weitere Informationen:
Deutsches Fachzentrum für Achtsamkeit
Planet Wissen
Zufriedenheit durch Achtsamkeit